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Monatsimpulse

Monatsimpulse 2008 bis 2013

„Man sagt, dass ein Fluss vor Angst zittert, bevor er ins Meer fließt. Er blickt zurück auf den Weg, den er zurückgelegt hat, auf die Berggipfel und den langen kurvenreichen Weg durch Wälder und Dörfer. Und vor sich sieht er einen Ozean, der so groß ist, dass das Eindringen in ihn wie nichts anderes erscheint, als für immer verschwinden zu müssen. Aber es gibt keinen anderen Weg. Der Fluss kann nicht zurückfließen. Niemand kann zurückgehen. Es gibt kein Zurück in der Existenz. Der Fluss muss das Risiko eingehen, in den Ozean zu fließen…denn nur dann wird die Angst verschwinden, denn dann weiß der Fluss, dass er nicht im Meer verschwindet, sondern zum Ozean wird.

(Kahlil Gibran)

 

Meine Monatsimpulse wurden von 2008 bis 2023 verfasst. Der Ursprung dieser Botschaften lag in meinem Bedürfnis meine Erkenntnisse und Einsichten anfangs 2000 mitzuteilen. Es erfolgte die Aufnahme von Satsangs und Gespräche aus der Stille des Herzens, sowie Retreats und Sesshins. Natürlich entstand darauf hin auch die Idee einige Grundlagen meines Verständnisses mittels eines Buches festzuhalten und zu veröffentlichen. Doch gerade in den Jahren um 2005 herum schossen Satsang-Weisheits-Lehrer und -Leerer wie Pilze aus dem Boden und veröffentlichten unzählige Bücher. Advaita-Vedanta rollte wie eine Welle über den spirituellen Markt und domminierte die Medien. Es machte für mich einfach keinen Sinn mitzumischen.

Um mein Verständnis weiterzuentwickeln, sowie mich selbst zu spiegeln, ohne die Menschheit allzu sehr mit den in tausenden ähnlichen, modernen Advaita-Zen-Weisheits-Büchern verwendeten Erkenntnissen zu langeweilen, begann sich meine verbale Ausdrucksfähigkeit mit meinen kurzen Monatsimpulsen weiterzuentwickeln.

Diese Entwicklung verstehe ich als ein Geschehnis und nicht als etwas das „ich“ tue. Ebenso entfaltet sich meine Malerei.

Nach 15 Jahren ununterbrochenen Monatsanregungen enden meine regelmäßigen Impulse hier.

Gerne stehe ich für weitere Hinweise und Bekräftigungen durch Mailkontakte, Einzelsitzungen und durch alle Veranstaltungen meines Programmes, siehe www.saajid.ch, weiterhin zur Verfügung. Mein monatlicher News-Letter wird natürlich auch wie bisher versendet.

In Liebe Saajid

Juli 2023 Künstliche Intelligenz

Juli

Künstliche Intelligenz                                                                

Alle reden zurzeit davon. Überall in den Medien ist der Begriff KI gegenwärtig. Natürlich, die Technik hat wieder immense Fortschritte gemacht und wird in den nächsten Jahren unser gesellschaftliches Zusammenleben revolutionieren. Hier ein paar Gedanken dazu:

In früheren Zeiten war es für die Kirche sehr wichtig ihre Rituale während dem Gottesdienst ausschliesslich in lateinischer Sprache durchzuführen. Dies geschah um im gemeinen, unkundigen Volk einen erhabenen Eindruck und nachhaltige Ehrfurcht zu erzeugen. Die Wissenschaften standen unter dem streng beobachteten Blick der Kirchen und eher machtlos in deren Schatten.

In unseren Zeiten hat die Macht der Kirchen sehr abgenommen und die Macht der Wissenschaft immens zugenommen. So sehr, dass man schon fast von einer Allmacht sprechen muss. Auch die Wissenschaften bedienen sich oft einer Sprache, welche dem Volk nicht geläufig ist um ihre scheinbare Überlegenheit und Souveränität zu demonstrieren. Sie machen dies hauptsächlich durch viele Fremdwörter. KI ist eines davon. Künstliche Intelligenz ist ein raffiniertes Wort und suggeriert uns so einiges. Dadurch werden viele Ängste im Menschen ausgelöst. Vorstellungen von Maschinen und Roboter, welche eigenständig denken und handeln und vieles mehr.

Doch künstliche Intelligenz gibt es nicht! Diese Wortschöpfung trägt einen grossen Widerspruch in sich. Intelligenz kann nicht künstlich sein und Künstlichkeit nicht wirklich intelligent. Sehr viele Wissenschaftler glauben, dass alles Leben im Gehirn des Menschen seinen Ursprung hat und verhalten sich auch so. Eines der Lieblingswörter der Wissenschaften ist «kognitiv». Dieses Wort bezieht sich auf Wissen, Verstehen und Denken, die Funktionsweise des Gehirns eben. Viele Menschen missachten die göttliche Quelle des Lebens und reduzieren in ihrem eigenen Verständnis alle Geschehnisse des Lebens auf ihre Gehirnfunktion. Was für eine Überheblichkeit und Ignoranz.

Intelligenz ist eine göttliche Gabe und Ausdruck des Göttlichen selbst, sowie allem Lebendigen innewohnend, wie sollte sie je künstlich hergestellt werden können?

Natürlich gehen die Errungenschaften der Wissenschaften schon weit über die Vorstellungskraft eines Normalbürgers wie mich hinaus. Doch jede Maschine, Roboter, oder was auch immer an technisches Gerät in Erscheinung treten kann, wird vom Menschen programmiert werden müssen. Ein Gerät wird nie Verantwortung für seine Handlungen übernehmen können. Wenn wir Menschen jedoch Roboter erschaffen, welche sich selbst optimal auf Situationen einstellen können, so erzeugt dies die Illusion, der eigenmächtigen Handlungsfähigkeit. Die Gefahr an all dem ist, dass die Versuchung besteht unsere ethische und moralische Verantwortung degenüber der Existenz auf unsere eigenen Erzeugnisse abzuwälzen und so unsere Intensionen hinter den optisch und funktionell immer menschenähnlicheren Geräten zu verstecken.

Es ist wichtig sich den konzeptuellen Abspaltungen unseres Geistes und Verstandes bewusst zu werden, sowie die Dringlichkeit zu erkennen die innere Verbundenheit mit unserer Wesensquelle zu bewahren und zu vertiefen.

In Liebe Saajid

Juni 2023 Liebevoll umfassende, selbstleuchtende Präsenz

Juni

Liebevoll umfassende, selbstleuchtende Präsenz

Auch, wenn in tiefster Wirklichkeit alles Geschehen ohne einen Handelnden ist, so sind wir doch aufgerufen, in grosser Entschlossenheit und Zuversicht, unser bestes zu tun. Dieses lebendige Paradox gilt es zu durchdringen.

Auch, wenn sich alles nur durch Bewusstsein und Gnade zum Wesentlichen wendet, so können doch folgende hilfreiche Hinweise zur Selbsterkenntnis gegeben werden:

Schaue ganz entspannt, mit weit geöffneten Augen, während nächtlicher Dunkelheit, in die gestaltlose Finsternis und fühle die offene Weite ursprünglichen Hierseins!

Schaue ebenso, während des helllichten Tages in den gestaltlosen, wolkenlosen Himmel und fühle das ursprüngliche Hiersein!

Schaue ebenso entspannt, mit weitem, offenen Blick während deiner Meditation auf eine weisse Fläche, oder Wand. Fühle umfassendes Wahrnehmen – leuchtende Präsenz!

Ebenso, fühle strahlende Gegenwärtigkeit während Momenten des Innehaltens bei täglichen Verrichtungen. Unmittelbares Wahrnehmen deines Erfahrungsfeldes –einfach hier, einfach so.

Immer wieder: Intensives Gegenwärtig-Sein mit allem was ist, mit allem was geschieht – noch bevor Gedanken auftauchen und auch während jedem Gedankenfluss.

Entspanne und öffne alle Sinne beim Ruhen, oder in Bewegung. Lasse alle Gedanken, Vorstellungen, Benennungen, Vergleiche und Beurteilungen von dir abfallen, bis nur noch die reine Wahrnehmung deines Erfahrungsfeldes bleibt.

Beobachte wie alles was in deine Aufmerksamkeit gelangt wieder aus dieser verschwindet. Alles taucht in deinem Erfahrungsfeld auf „Gedanken, Gefühle, Ereignisse und ja, deine ganze, sogenannte Welt“ und verschwindet wieder aus deiner Wahrnehmung. Ein unfassbares, kontinuierlich-haltloses Kommen und Gehen.

Was ist es, das all diese Erfahrungen erfährt? Was ist dieses Gewahrsein, oder Bewusstsein? Wo findet es statt? Versuche es nicht zu fassen! Schaue direkt hin! Denke nicht darüber nach! Fühle, dass es geschieht, dass es wahrgenommen wird!

Es ist-was du bist-alles ist – einfach dieses grosse, mysteriöse Staunen.

In Liebe Saajid

Mai 2023 der wirkliche Mensch

Mai

Der wirkliche Mensch

Meister:

Unser altehrwürdiger Meister lehrte uns, dass es einen unwirklichen Menschen gibt, der durch unsere Sinne ein und auswandert, sich alles Menschenmögliche einbildet und diese Einbildungen auf seine Vorstellungswelt projiziert. Mit anderen Worten, es gibt nur Wahrnehmung aber einen Wahrnehmenden ist nirgends zu finden. Ausserdem können wir nie sicher sein, ob die Wahrnehmung des unwirklichen Menschen nichts weiter als reine Einbildung ist.

Schüler:

Oh, es gibt also nur Wahrnehmung und auch diese ist nicht das, was wir annehmen was sie ist?

Meister:

Ja.

Schüler:

Es gibt keinen Wahrnehmenden dieser Wahrnehmung von der niemand weiss was sie eigentlich wirklich ist?

Meister:

Ja.

Schüler:

Wenn es keinen Wahrnehmenden gibt, wer ist es denn, der diese unergründliche Wahrnehmung wahrnimmt?

Meister:

Wenn du denjenigen findest, der gerade diese Frage gestellt hat, so packe ihn und bringe ihn sofort zu mir!

Schüler:

………..!

Meister:

Der wirkliche Mensch ist unergründlich gegenwärtig, liebevoll umfassend, offen und weit.

In Liebe Saajid

April 2023 Aschenbrödel mal anders

April

Aschenbrödel mal anders

Tochter kurz vor dem Einschlafen:

Erzähl mir bitte eine Geschichte!

Zen-Meister zu seiner kleinen Tochter:

Frag bitte deine Mutter.

Töchterlein:

Ich will aber von dir eine Geschichte erzählt bekommen!

Meister:

Okay. Na dann.

Also. Es gab einmal ein Schwesterchen von Aschenbrödel, sie war genauso hübsch und lieb wie das richtige Aschenbrödel in der Geschichte, welche du schon sooo oft gehört hast. Sie hätte sogar die Zwillingsschwester von Aschenbrödel sein können.

Töchterlein:

Das ist eine wunderbare Geschichte. Erzähl bitte weiter!

Meister:

Ja, und sie lebte ebenso in den schrecklichen Umständen mit der unangenehmen Stiefmutter wie Aschenbrödel. Sie war nicht weniger entzückend und zierlich von Gestalt wie ihre Schwester und auch die mühsame und schmutzige Arbeit, welche sie zu verrichten hatte erzeugte in ihr die Sehnsucht nach einem besseren Leben und einem herrlichen, atemberaubend adretten, wohlhabenden Prinzen, welcher sie auf seinem prächtigen Schimmel aus den Fängen der bösen Stiefmutter befreien und in sein himmlisches Schloss entführen möge.

Töchterchen:

Wie schön!

Meister:

Doch im Gegensatz zu ihrem Schwesterchen zeigte sich weit und breit kein Prinz und auch nach jahrelangem Hoffen ritt kein Befreier auf einem prächtig reinweißen Schimmel zu ihr. Keine Nüsse mit Ballkleidern darin waren für sie zu finden, ganz zu schweigen von einem Schloss mit rauschendem Fest, welches irgendwo zu sehen gewesen wäre. Das machte sie natürlich sehr traurig.

Doch an einem dieser trüben Tage erschien ihr plötzlich eine Meisterfee und diese sagte zu ihr: „sei nicht traurig ich habe dir eine viel bessere und nachhaltigere Lösung für all deine Probleme und Schwierigkeiten, als ein Schloss, ein Schimmel, all den Reichtum diese Welt und einen wunderschönen Prinzen obendrauf, der bald übellaunig, alt und hässlich wird. Geh doch einfach mal mit dem jungen Schreiner Hans aus, der schon lange ein Auge auf dich geworfen hat. Vergiss deine Vorstellung ein armes Aschenputtel zu sein, dann brauchst du auch keinen Prinzen und du wirst wahrlich für immer glücklich sein!

Töchterchen:

Mammmiiii! Ich will keine Geschichte mehr von Papa erzählt bekommen!

Ich will eine Geschichte mit einem richtigen Prinzen!!!

In Liebe Saajid

 

März 2023 Die vollkommene Erkenntnis

März

Die vollkommene Erkenntnis

 

Schüler: Wie ist das Leben vor der vollkommenen Erkenntnis?

Meister: Projektionen und Illusionen überall.

Schüler: Wie ist es auf dem spirituellen Pfad?

Meister: Viel Begeisterung, viel Besonderes, kein Ankommen irgendwo.

Schüler: Wie ist es später auf dem weglosen Weg?

Meister: Besonderes und nichts Besonderes, kommen und gehen offen und weit.

Schüler: Und jenseits des weglosen Weges?

Meister: Nichts Besonderes.

Schüler: Und die vollkommene Erkenntnis?

Meister: „Wirklich“ nichts Besonderes.

 

In Liebe Saajid

Februar 2023 Meister-Spiel

Februar

Meister-Spiel

Es gibt zwei berühmte Aussprüche alter Meister, welche widersprüchlich scheinen, sich jedoch in Wirklichkeit ergänzen. Buddha: «Sei dir selbst ein Licht, das dich erleuchtet.»  OSHO: «Sei dir selbst ein Witz, der dich erheitert.»

Zu Buddhas Spruch:

Zu Lebzeiten des Buddha kamen viele Menschen, welche ihn anbeten und vergöttern wollten. Auch kamen viele Menschen welche neidisch, eifersüchtig und eingebildet waren. Dies war ihm sicherlich alles sehr unangenehm. Er wollte diesen Menschen sagen: „Sucht nichts Besonderes in mir! Sucht nicht außerhalb eures eigenen Wesens nach Erleuchtung.“

Die wirklich hilfreiche, durch und durch praktische Aufgabe eines Meisters ist sein lebendiges, authentisches „So-Sein“ als Tor, Öffnung und Einladung für dich, dein ureigenstes Wesen zu erkennen und zu verwirklichen! Es ist diese Resonanz und Spiegelfunktion „des Einen, ohne ein Zweites“, welche die Legitimation seines Rollenspieles rechtfertigt und nicht all das Wunderbare, das in seine Persönlichkeit hineinprojiziert und als spirituellen Besitz missverstanden wird. Aber auch Menschen in Meister-Rollen sollten sich vor Augen halten, dass das Leben im besten Falle „uns meistert“ und nicht umgekehrt. Die ganze Existenz ist von jeher erleuchtet. Beim spirituellen Erwachen geht es darum zu diesem göttlichen Mysterium deines und aller Wesen zu erwachen und es zu verwirklichen. Dies ist es was seit Urzeiten Wesensnatur, Buddhanatur, oder die Natur des Geistes genannt wird. Ein Meister kann ein Wegweiser und eine lebendige Resonanz deines wahrhaften Wesens sein, doch sei dir selbst ein Licht, das dich erleuchtet!

Anders ausgedrückt meint Buddha in etwa: Du selbst bist das Göttliche, das du suchst.

Zu OSHOs Spruch:

Nimm dich nicht so wichtig, sonst kannst du dir nicht selbst aus dem Weg gehen und das ist nun mal die Bedingung um sich selbst zu verwirklichen. Auf dem spirituellen Pfad sollten die Ego-Kräfte immer weniger in Anspruch genommen werden und die wahre Präsenz unseres Wesens immer mehr Aufmerksamkeit, Zuwendung und Energie erhalten.                                                                               Humor ist die am meisten unterschätzte spirituelle Eigenschaft. Humor schneidet alle Wolken der verbissenen Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit, sowie der verkopften und engstirnigen Besserwisserei entzwei. Humor entleert unseren mit Wissen und Dogmen vollgestopften Geist.

Doch auf einen noch anderen ganz wesentlichen Aspekt wird hier hingewiesen. Nämlich, dass die Ego-Fähigkeit auch nach tiefen Erwachens-Erlebnissen uns jederzeit wieder täuschen kann. Auch wenn wir erkennen, dass das große göttliche Mysterium nicht von unserer Wesensnatur verschieden ist, so wäre es dennoch ein großer Fehler sich selbst als die göttliche Quelle zu betrachten. Daher wird eine ganzheitliche Spiritualität immer dieses lebendige Paradox umfassen.

Anders ausgedrückt meint OSHO in etwa: Auch wenn du dich als das Göttliche erkennst, so gehe dir trotzdem aus dem Weg.

Die Integration beider Wege möchte ich folgendermaßen umschreiben:

Erkenne deinen göttlichen Wesensgrund, du bist das Eine ohne ein Zweites, aber bleibe zu Füssen des Unbenennbaren, denn nur so bleibst du in den all-liebenden Armen des Unaussprechlichen.

In Liebe Saajid

Januar 2023 Aufleuchtende Gegenwärtigkeit

Januar

Aufleuchtende Gegenwärtigkeit

 Auch wenn das Leben ebenso unsere wunderschönen Wesensaspekte spiegelt, so entkommt doch niemand dem unwiderstehlichen, wilden Tanz der Schicksalskräfte, welche uns an unsere Selbstbilder und Glaubensinhalte fesseln. Wenn wir durch unsere Sucht nach „ich, mir und mein, hier ja und dort nein“ genügend herumgewirbelt und gebeutelt wurden setzen wir uns vielleicht in stiller Betrachtung an das Ufer des Lebensstromes.

 Durch regelmäßiges stilles Betrachten identifizieren wir uns vielleicht immer weniger mit unseren Ich-Vorstellungen und stattdessen vermehrt mit dem betrachtenden Geist als Beobachter. Dadurch wird unsere vernebelte Sicht im Kommen- und Gehenlassen unserer Geistesinhalte zeitweise weit und klar. Weiterhin zerrt und zieht der Lebensstrom, doch wir fühlen uns nicht mehr so sehr ausgeliefert und verloren in ihm. Gewahrsein und Gegenwärtigkeit werden erkannt und gestärkt. Dies erzeugt eine Dynamik aus schwindender Ichsucht und vermehrt aufleuchtender Präsenz.

Mit fortschreitender Vertrautheit im stillen Betrachten wird der Beobachter der Geistesinhalte und Geschehnisse als letzte Bastion der Selbstbezogenheit und Basis jeder Identifikation wahrgenommen. Wenn sodann die Ichsucht genügend geschwunden und die leuchtende Gegenwärtigkeit unseres wahren Wesens genügend gefestigt ist, wird unser Gewahrsein als „Reines“ Gewahrsein aufscheinen und als solches erkannt. Dies kann energetisch sehr spektakulär auftreten, oder auch ganz unspektakulär als diese immerwährende erfüllte Leerheit des Wesensgrundes aufleuchten; als einfach „so“, oder einfach „Das“.

Es folgt eine Zeit des Hin-und-her-gerissen-werdens zwischen diesen drei Erlebnisebenen.

  • Mal ist unser Bewusstsein verstrickt und verwirbelt im Strom des Lebens, sowie mit den Ichkräften mehr oder weniger identifiziert.
  • Mal sind wir stille Beobachter all dieser Geschehnisse, sowie mit den Ichkräften mehr oder weniger identifiziert.
  • Mal fühlen wir uns frei, weit und ungebunden im alles umfassenden Reinen Gewahrsein und der leuchtenden Gegenwärtigkeit, sowie einer immensen Freiheit ohne sich einmischende Selbstkräfte.

Dieser Prozess des Hin-und-her-gerissen-werdens kann sehr große emotionale und seelische Spannungen in unserem Wesen aufbauen, sowie alte karmische Kräfte freisetzen, weshalb diese Phase oftmals als „dunkle Nacht der Seele“ in der christlichen Mystik und als „torlose Schranke“ im Zen bezeichnet wird.

Doch all diese Geschehnisse um das Erwachen herum verlaufen sehr individuell. Bleibe weiterhin unermüdlich in deiner Hinwendung zum „Einen“ und liebevoll in umfassender Gegenwärtigkeit.

In Liebe Saajid

Dezember 2022 Lückenlos gegenwärtig

Dezember

Lückenlos gegenwärtig                                                   


Wir können erkennen, dass wir wahrnehmen. Wir sagen: „Ich nehme wahr.“ Das scheint offensichtlich zu sein. Wahrnehmung geschieht also. Dies ist für jeden Menschen nachvollziehbar. Wahrnehmung ist immer hier. Einverstanden?

Es benötigt also keinen Täter für die Wahrnehmung. Wahrnehmung ist uns einfach gegeben. Wenn wir nun diese Ich-Idee, welche wir über die Wahrnehmung stülpen beiseitelassen und einfach die Wahrnehmung selbst betrachten. Wer oder was betrachtet nun die Wahrnehmung? Was nimmt denn hier wirklich ‚seine‘ Wahrnehmung wahr?

Da jede Antwort darauf nur falsch sein kann entsteht nun eine scheinbare Lücke in unserem Verständnis, welche üblicherweise mit dieser Ich-Idee gefüllt ist und auch ohne Ich-Idee weiterhin voll intakt bleibt.

Stolpere daher nicht über diese Lücke, sondern sei ‚als‘ diese scheinbare Lücke des Verstehens wahrnehmend gegenwärtig. Diese scheinbare Lücke des Verstehens offenbart das große Mysterium welches wir tatsächlich sind. Diese Erkenntnis wird im Zen ‚Nicht-Wissen‘ genannt. Nicht-Wissen ist nicht mit Unwissenheit, oder Ignoranz gleichzusetzten. Unwissenheit und Ignoranz ist dumpf und vernebelt, Nicht-Wissen ist hellstrahlend und klar.

Es fehlt deiner Wahrnehmung also nichts, wenn kein Ich behauptet: „Ich nehme wahr.“ Und es fehlt deinem Wesen nichts, wenn sich anstelle des Ichs eine ‚Wunder-volle‘ Lücke zeigt, welche sich sodann als Gewahrsein und Wesensgrund offenbart.

Eine lebendige Antwort kann immer nur in Stille als Stille übermittelt werden.

In Liebe Saajid

November 2022 Lebendigkeit

November

Lebendigkeit                                                                     

 Wenn jemand mit dir über Bewusstsein, Gewahrsein, Präsenz und Gegenwärtigkeit redet, dann antworte mit Liebe und Mitgefühl.

Wenn jemand mit dir über Liebe und Mitgefühl redet, dann antworte mit Bewusstsein, Gewahrsein, Präsenz und Gegenwärtigkeit.

Egal wie und was jemand mit dir redet, sei das was du wirklich bist. Dabei spielt ob du in Gelassenheit bist, emotional, oder in großer Klarheit, keine so große Rolle wie du oft glaubst. Denn all dies geschieht im Spielfeld deines wahren Wesens, welches immerzu Liebe und Gegenwärtigkeit ist. Auch, wenn du diese liebevolle Gegenwärtigkeit vielleicht gerade nicht zum Ausdruck bringen kannst, oder fühlst, sie ist doch die Grundlage deines Lebens, das du selbst bist und das sich unter allen Umständen und trotz aller Umstände entfaltet. Auf der Oberfläche des Lebens mag ein Sturm die vorherrschende Stimmung sein und haushohe Wellen schlagen; in der Tiefe des Lebens-Ozeans zeigt sich jedoch stets die immerwährende Stille der alles in Liebe umfassenden Gegenwärtigkeit. Das Leben lernt allen Wesen dies früher oder später zum Ausdruck zu bringen. Habe Geduld mit dir selbst. Denn dies geschieht ganz ohne unser Dazutun, oder besser gesagt, dies kann nur ohne unser Dazutun geschehen. Sei einfach ganz authentisch dich selbst, wie auch immer du dich vorfindest. Umfasse und umarme das ganze Leben und lasse es geschehen. Durch dich erfährt sich das Leben in bewusstem Hiersein.

In Liebe Saajid

Oktober 2022 ...und ewig grüsst das Murmeltier

Oktober

…und ewig grüßt das Murmeltier                                         

 Frage: Wenn alle Wege zu Ende gehen und auch der weglose Weg zu Ende geht… was ist dann?

 S.: Dieses „und dann“ ist endlos, endlos wiederkehrend. Es ist die Stimme unserer Identifikationen und Glaubenssätze mit ihrem ‚immer weiter‘, ‚immer besser‘ und stets mit ‚einer goldenen Karotte vor der Nase ‘. Genau so hält sich unsere Ich-Fixierung im Spiel und erschafft immer wieder neue Geschichten. Geschichten über Geschichten, ein Meer aus Geschichten, bis über den Horizont hinaus und auf der anderen Seite der Erde wieder zurück. Auf diese Weise halten wir unsere Identifikationen und damit auch unsere Einbildungen aufrecht. Lass auch dein „und dann“ zu Ende gehen.

Was ich allein nenne, ist allein wie auch nicht-allein zu vergessen. Und dann den zu vergessen, der vergisst: Dies ist das wahre All-ein-sein.

Sengai 1750 – 1837

Alles Mögliche erreichen zu wollen und sich auf Ziele zu fixieren ist das Lieblingsspiel unserer Trennungsideen. Unsere Aufmerksamkeit wird auf diese Weise stets von unserer Anwesenheit und Gegenwärtigkeit abgelenkt und in eine Zukunftsphantasie mit einer nie wirklich stattfindenden Zukunft katapultiert. Bleibe immer entschlossen und hartnäckig in deiner Bereitschaft ganz und gar als anwesende Wahrnehmung (Bewusstheit) genau ‘hier’ zu sein wo dein bewusstes Sein stattfindet und deine Füsse stehen.

In Liebe Saajid

September 2022 - klarer Verstand

September

Stiller Geist – klarer Verstand

Mit den inneren und äußeren Begebenheiten unseres Lebens Frieden zu schließen, könnte sicherlich eine Entlastung für unsere oft strapazierte Psyche bedeuten.

Doch dazu braucht unser Verstand Ruhephasen und Speicherplatz. Der moderne Mensch wird mit immer umfassenderen und komplexeren Aufgaben konfrontiert. Unser Geist gerät dadurch in zunehmende Rastlosigkeit und größere Belastungen. Gar manchmal hetzt er wie in einer Nebellandschaft verloren und von seinen Neigungen und Tendenzen getrieben durch seine Bilder- und Informationsflut.

Wenn sich unser Bewusstsein von dem engen Korsett seiner Glaubenssätze und alles beurteilenden Wahrnehmungsweise befreit, sich auszudehnen beginnt und sich dadurch umfassender bewegt, so wird es ruhiger und klarer in unserem Geist. Ein klarer Geist kühlt unseren Denkapparat runter und befähigt ihn ebenfalls klarer, fähiger, umfassender und effizienter zu arbeiten. Ist es nicht sinnvoll diese Fähigkeit dort einzusetzen wo sie auch wirklich benötigt wird? Ein klarer Geist nährt unsere Intelligenz und unsere Eigenständigkeit, weil sich unser Verstand nicht pausenlos um Gedankenketten und Emotionsresonanzen kümmern muss.

Außerdem befähigt uns ein klarer Geist den arbeitenden Verstand auch ruhen zu lassen. Was für eine Wohltat! Es ist nämlich oft gar nicht so viel Bedarf an Gedankenarbeit wie wir uns gerne vormachen. Aber wenn dieser Bedarf gegeben ist, dann sollte uns ein kraftvoller, klarer Geist mit einem intelligent funktionierenden Verstand zur Verfügung stehen.

In Liebe Saajid

August 2022 - Das Licht das keinen Schatten wirft

August

Das Licht das keinen Schatten wirft

Jedes Handeln bleibt immer spontan, egal was ‚ich‘ mir einbilde.
Der Handelnde, das Handeln und die Handlung sind nicht voneinander zu trennen, sie entfalten sich als ein ungeteiltes Geschehnis in umfassender Einheit. Das nicht-identifizierte Gewahrsein staunt in mitfühlender Gegenwärtigkeit sowohl als Zeuge all dieser Geschehnisse, als auch als Geschehnis selbst.

Das menschliche Leben gleicht einem wilden, mächtigen Fluss ziehender und stoßender Kräfte, welcher alles mit sich reißt, was mit ihm in Berührung kommt. Diesem gewaltigen Strom kann nichts entkommen was er erfasst. Unsere Neigungen und Tendenzen führen uns in diesen Strom hinein. Doch dieser Strom ist in seiner Essenz reines Gewahrsein, so wie alles in dieser Erscheinungswelt. Auch die Erscheinung des Menschen selbst ist in seiner Essenz reines Gewahrsein. Da das ganze Leben sich im Bewusstsein des Menschen entfaltet gibt es für uns immer zwei Betrachtungsweisen der Wahrnehmung des Lebens.
Entweder wir erleben uns in diesen Lebensfluss hineingeworfen, welcher uns als mitreißender Strom erfasst und mit uns sein wildes Karussell fährt, oder wir erleben durch bewusste Gegenwärtigkeit und Selbsterkenntnis das ungeteilte Gewahrsein als die Essenz aller Erscheinungen und umfassen dadurch den Lebensstrom, während wir in ihm leben und mit ihm tanzen.

Was, wenn wir diesen Lebensstrom mit all seinen wiederstreitenden Kräften und scheinbaren Gegensätzen als Einheit mit unserem Wesen begreifen lernen, welche aus derselben leuchtenden Leerheit steigt?
Was, wenn wir nicht mehr alle Ereignisse unseres Lebens durch eine idealisierte Schablone pressen, sowie unser Verhalten endlos unseren Idealen anzugleichen suchen, sondern in umfassender Gegenwärtigkeit das Licht des Bewusstseins auf all unsere Türen scheinen lassen?

In Liebe Saajid

Juli 2022 - Bleib dran

Juli

Bleib dran

Frage: Das Sehen wie die Dinge sind, ihr So-Sein, über das du geredet hast, hat mich aufhorchen lassen.
Da verheddere ich mich. Dieses Sein der Dinge, das Sein von allem, sehe ich jenseits von Emotionen, weder Rettung noch Verderben, weder dramatisch noch entzückend. Es ist reine Wahrnehmung.

Antwort: Ja, dies ist jedoch nur ein Aspekt des So-Seins. Du betonst hier den Bewusstseins- und Gewahrseins-Aspekt. Es ist der Nicht-Sein-Aspekt. So-Sein umfasst jedoch Sein und Nicht-Sein. So-Sein ist das göttliche Mysterium, das in allem und als alles, sowie darüber hinaus als Quelle wirkt. Alle Aspekte sind eines. Trenne sie nicht.

F: Und irgendwie erwische ich mich dann doch dabei, an etwas Wohlwollendes, dem Leben gegenüber Wohlwollendem, letztendlich mir gegenüber Wohlwollendem glauben zu wollen, das Strömen ins So-Sein nicht als Sturz, oder als Abgrund zu denken, als etwas Trostloses, Gleichgültiges. So gern möchte auch ich zuletzt gehalten sein an einem Ort, der alles weiß, der all meine Bemühungen kennt.

A: Dies ist der andere Aspekt des So-Seins. Du betonst hier den Seins-Aspekt. Du bist eins mit der göttlichen Quelle und daher ewig gehalten und als Seele zuhause. Doch Seele hat nichts mit der Persönlichkeit und all dessen Konditionierungen zu tun, welche wie eine Maske über unsere Einzigartigkeit (Individualität) gestülpt ist. Seele ist All-Eins, also viel umfassender als die Persönlichkeit und auch umfassender als die Individualität selbst. Richtigerweise sollten wir sagen, dass unsere Seele zurzeit als «diese» Ausformung des göttlichen Bewusstseins als Mensch Erfahrungen in der Erscheinungswelt sammelt. Darum beteuere ich stets, dass wir einzigartig und All-Eins sind.

F: Denken wir uns sowas wie eine Seele aus, um dem „Nichts“ zu entrinnen?

A: Ja, die Persönlichkeit mit ihren Identifikationen denkt so. Nichtsdestotrotz ist «Seele» tatsächlich unsere Wirklichkeit. Jedoch nicht so wie wir uns diese aus unserer Verblendung heraus vorstellen.

F: Ich glaube manchmal oder ich behaupte es, dass wir unsere Dramen im tiefsten Grunde gar nicht verlassen wollen, denn sie geben uns (zumindest vermeintliche) Sicherheit und Intensität im Leben. Nichts wollen wir so sehr wie Intensität, wie Emotionen. Und tatsächlich lenken sie in enormem Ausmaß was wir tun. Wir können als Menschen nicht emotionslos werden und sollen es auch nicht und doch sollten wir nicht in den Emotionen verlorengehen…manchmal empfinde ich das als Widerspruch oder auch als etwas Paradoxes wie so Vieles, wenn ich es näher anschaue. Es ist so und auch so.

A: Diese Aussage ist nur «scheinbar» korrekt. Ich meine damit, dass sie ein falsches Verständnis und einen Widerspruch beinhaltet, welche wir auflösen können. Nicht alles was paradox erscheint ist auch tatsächlich «so und auch anders». Daher unterscheide ich zwischen den üblichen Widersprüchen und einem lebendigen Paradox. Das lebendige Paradox ist kreativ, das heißt dem Leben zugeneigt und sollte als solches akzeptiert werden, da es in sich ‚ganz/heil‘ ist. Es geht über den Verstand hinaus und ist nicht auflösbar.
Deine Fehlüberlegung in den oberen Sätzen ist die Annahme, dass wir uns nicht den Emotionen ausliefern sollten um nicht darin, oder damit verloren zu gehen. Das Ego findet immer Gründe sich nicht auszuliefern.
Wir sollen uns unseren Emotionen ausliefern, ihnen Raum geben, sie ganz umfassend spüren und sich selbst überlassen. Wenn wir in diesem Prozess bewusst und gegenwärtig bleiben, gehen wir keinesfalls in den Emotionen verloren. Das heißt sie dürfen durch unsere Akzeptanz und Hingabe intensiver gefühlt werden und transformieren sich dadurch. Das Resultat ist jedoch nicht in unseren Händen.
Unser Ego möchte natürlich mitmischen und verdreht in seinem Verständnis die Dinge.

F: Das lebendige Paradox scheint mir sowohl Befreiung als auch Gefängnis zu sein. Schlussendlich gibt es jedoch nur das Sein. Es IST. Da gibt es im Grunde zu vielem nichts zu sagen. Aber Schweigen schmerzt auch.

A: Auch diese Aussage ist nur scheinbar richtig. Ja, Schweigen schmerzt, weil dieses «ES IST» nicht wirklich verstanden und durchdrungen wurde. Das lebendige Paradox darf nicht als Beruhigungsmittel für ungelösten Konflikte missbraucht werden. Solange Form und Leere nicht als Einheit tatsächlich erlebt wird, bereitet dessen Trennung weiterhin Schmerzen. Aber das ist gut so. Die Schmerzen sagen dir «Bleib dran!

In Liebe Saajid

Juni 2022 - Stille plus

Juni

Stille plus


Lebendige Stille ist jederzeit bedingungslos verfügbar und offen zugänglich. Keine heiligen Schriften, Rituale, Glaubensbekenntnisse, Gelöbnisse, Verhaltensregeln, Utensilien und Gewänder sind dazu von Nöten. Der Zugang zur Offensichtlichkeit unseres wahren Wesens kann weder durch spirituell unkorrektes, noch durch spirituell korrektes Handeln getrübt, oder erreicht werden.

Was uns den Zugang verbaut ist lediglich unsere «Stille plus»-Haltung gegenüber uns selbst. Die offene, stille Weite unseres Seins zu erleben und auszudrücken scheint uns nie zu genügen. Wir wollen immer «Stille plus». Wir wollen die natürliche, umfassende Stille unseres Wesens stets mit irgendetwas füllen, egal mit was. Die Möglichkeiten in diesem Erlebnis- und Dramapark, welchen wir «unsere» Welt nennen, sind schier endlos. Stille alleine scheint uns lediglich als Podium unserer Dramen, Komödien und Spielsachen zu dienen und so bleibt sie in unserem Erleben auch stets im Hintergrund unbeachtet und doch immerzu allgegenwärtig anwesend. Sie hält auf mütterliche, unermüdliche Weise die torlose Pforte aufrecht damit wir hindurch gehen mögen.

Die Pforte heisst: «Umfänglich liebende, vollständige Gegenwärtigkeit.»

Die folgende Anekdote ist an ein überliefertes, altes Zen-Gleichnis angelehnt.

Schüler: «Was ist das Höchste und wo ist es zu finden?»
Meister: «Das Höchste liegt im Gewöhnlichen. Der Pfad führt mitten durch das alltägliche Leben.»
S.: «Durch welche erprobten Methoden kann es erreicht werden?»
M.: «Erreichen ist nur ein Gedanke, solange du in solchen Begriffen suchst bist du weit davon entfernt und betrügst dich nur selbst.»
S.: «Wenn ich nun meinen Geist völlig von der Umwelt löse und keinem Gedanken erlaube aufzusteigen kann es dann gelingen?»
M.: Auch dies sind nur Gedanken, welche andere Gedanken zu beherrschen suchen. Lasse die Gedanken frei. Folge ihnen nicht und analysiere sie nicht. Hol sie nicht hervor und stosse sie nicht weg. Lasse die Wogen sich natürlich glätten und mische dich nicht ein.»
S.: «Wie kann es dann gelingen zum Höchsten durchzubrechen?»
M.: «Kein Gelingen und kein Durchbrechen könnte je geschehen und dies ist auch gar nicht nötig. Du gehst diese Angelegenheit zu verstandesmässig an. Wissen hilft dir hier nichts. Das Wissen-wollen beginnt erst aktiv zu werden, wenn das direkte Erleben in Vergessenheit geraten ist. Und doch sollte das Wissen und das Wissen-wollen nicht abgelehnt werden. Unwissenheit kann nichts zum Erblühen bringen.»
S.: «Was für Hinweise können mir dann helfen?»
M.: «Wenn dich alle Zweifel, alle Hoffnung und alle Hoffnungslosigkeit verlassen haben, wird «es» sich aus dir selbst heraus offenbaren, denn du bist stets ungetrennt davon. Die grosse Leere ist offen und grenzenlos!
Sie ist nicht ausserhalb von Dir, oder ausserhalb von irgendetwas zu finden. Es ist die Natur aller Wesen und der ganzen Existenz. Wozu sich daher noch von irgendwelchen Gedanken einengen und fesseln zu lassen?
Betrachte alles als ein einziges Geschehnis, bleibe einfach mit allem anwesend, und stets vollumfänglich damit gegenwärtig.»

In Liebe Saajid

Mai 2022 - Das Ein-mal-Eins des Lebens

Mai

Das Ein-mal-Eins des Lebens

Wie sehr wir doch überall nach Liebe suchen wo uns Leiden erwächst. Ein kleines, altes Liedchen besingt dies so:

«Looking for Love, looking for Love; everywhere I go. Looking for Love, looking for Love; in everyone I know. I try do get them all together, till I understand: Let them all go, let them all go; and Love starts chasing ‘YOU’.»

«Nach Liebe Ausschau haltend, nach Liebe Ausschau haltend; überall wo ich hingehe. Nach Liebe Ausschau haltend, nach Liebe Ausschau haltend; in jedem den ich kenne (in allem dem ich begegne). Ich versuche sie alle zu bekommen, bis ich verstehe: Lass sie alle los (lass alles sein), lass sie alle gehen. Und die Liebe wird ‘DICH’ zu jagen beginnen.

Als ich dieses Liedchen zum ersten Mal als Anfang-30-jähriger hörte, war dies eine Offenbarung für mich. Kein grosser Durchbruch oder ähnliches, aber eine tief berührende Einsicht. Wie sehr wir doch an den falschen ‘Plätzen’ nach Liebe suchen und die Selbstliebe dabei vergessen! Wie sehr wir doch die Liebe ‘ausserhalb-von-uns-selbst’ suchen und wie sehr wie doch immer wieder ein ‘ausserhalb-von-uns-selbst’ von Neuem erschaffen. Nicht der Liebe hinterherzujagen kann uns die Liebe, welche stets auf uns wartet um sich uns zu offenbaren in den Vordergrund unseres Bewusstseins rücken. Wow, wie optisch verdreht wir uns doch in unserer Welt zu bewegen scheinen. Wie oft doch unsere Welt- und Selbstbilder eine 180 Grad Drehung benötigen. Ist es so abwegig abends grundlos mit einem Lächeln einzuschlafen und morgens grundlos mit einem Lächeln aufzuwachen?

Vielleicht mag jetzt ein bewanderter spiritueller Mensch einwenden, dass es doch darum nicht wirklich gehen könne, mit einem Lächeln einzuschlafen, sowie mit einem Lächeln aufzuwachen und dies doch alles eher spiritueller Kinderkram sei. Nun ja, Ein mal Eins ist Eins, das weiss ja jedes Kind. Jedoch, Liebe mal Liebe ist und bleibt Liebe und diese beginnt nicht nur bei einem selbst, sie bleibt auch unser Leben lang als das, was wir in unserem Herzen sind bestehen. Diese Liebe ‘sein’ zu lassen und ihr als ‘unser Leben’ Ausdruck zu verleihen, damit tun wir uns Menschen doch eher sehr schwer. Nicht wahr?

Was benötigen wir dazu um grundlos mit einem Lächeln einzuschlafen und grundlos mit einem Lächeln aufzuwachen? Nichts!

Was könnte uns daran wirklich hindern? Nichts. Okay, ich gebe zu, dass der Verstand natürlich, kreativ wie er ist, sein Gründe dagegen finden wird. Doch ‘Nichts’ desto Trotz:

Dieses ‘Nichts’ scheint tatsächlich ein mächtiger Zauberstab zu sein! Vielleicht sollten wir doch unsere ambitionierte spirituelle Reise immer wieder beim Ein mal Eins des Lebens beginnen. All you need is Love! Love is all you need! Alles was du brauchst ist Liebe! Liebe ist alles was du brauchst! Und davon finden wir in uns selbst stets mehr als genug; überfliessend viel, so wir uns dies erlauben und auch zulassen.

Ist es nicht erstaunlich wie sehr wir Menschen unsere Liebe verbergen und uns ihrer meistens schämen, oder diese als kitschig und esoterisch bezeichnen? Und ist es nicht ebenso erstaunlich wie allumfassend, kraftvoll, mächtig und transformierend Liebe wirklich ist?

In Liebe Saajid

April 2022 - Lebendige Stille erleben

April

Lebendige Stille erleben

Vielleicht ertappst du dich gerade jetzt, als derjenige der diese Zeilen liest. Oh, da ist bewusstes Sein das liest. Oh, bewusstes Sein ist hier.

Vielleicht möchtest du gerade auf deine Uhr schauen um zu wissen wie spät es ist? Doch vielleicht bedeuten die Zeiger nichts und das Zifferblatt bleibt leer, denn bewusstes Sein ist zeitlos, immer jetzt hier. Oh, bewusstes Sein sieht. Oh, einfach bewusstes Sein. Hier-jetzt.

Halte so oft wie möglich inne.

Üblicherweise sind unsere Sinne auf Ereignisse und Geschehnisse innerhalb unserer Wahrnehmung fokussiert.

Öffne deine Sinne!

Wir hören Geräusche und sofort setzt unser Verstand mit der Ortung, Benennung und Zuordnung der Geräusche ein. Öffne die fokussierte Wahrnehmung deiner Ohren. Lass die Fokussierung los. Lass die Geräusche unkommentiert und unbenannt durch dein Gehör ziehen. Du wirst sehen, dass Hören nicht nur mit deinen Ohren, sondern mit deinem ganzen Wesen geschieht.

Wir sehen Dinge und sofort setzt unser Verstand mit der Definierung, Benennung und Zuordnung ein. Öffne die fokussierte Wahrnehmung deiner Augen. Lass die Fokussierung los. Öffne deinen Blick, löse ihn langsam von der eingeschränkten, brennglasähnlich isolierten Fixierung. Schaue mit sanftem Blick in Richtung des Geschehnisses, indem du den Blickradius soweit wie möglich offenlässt. Du wirst erkennen, dass du nicht nur mit deinen Augen, sondern mit deinem ganzen Wesen siehst.

Öffne deinen Geist!

Wir nehmen Geschehnisse war und sofort beginnt unser Verstand mit seinen Benennungen, Zuordnungen und Beurteilungen. Erlaube deinem Verstand sich zu beruhigen, abzukühlen, Pausen zu machen. Er ist üblicherweise total überhitzt und mit Kommentaren überladen. Lass die Gedanken vorbeiziehen. Halte sie nicht fest und beschäftige dich nicht ununterbrochen mit den Inhalten deines Geistes. Lass die vielen Wolkenschichten ungehindert vorbeiziehen wie Wolkenschichten vor deiner inneren Sonne. Bleibe beobachtend und wahrnehmend ohne dich einzumischen. Du wirst erkennen, dass sich dein ganzes Wesen vollumfänglich in deinem Gewahrsein bewegt. Sobald sich diese Geschehnisse wie Wellen in einem Teich langsam beruhigen, beginnt der Teich deinen wahren Wesensgrund zu spiegeln. Reines Gewahrsein erscheint und erkennt sich als „Das“!

Sei gedankenleere, bewusste Anwesenheit!

In Liebe Saajid

März 2022 - Gnade

März

Gnade

In den 60er-Jahren kam in der Hippie-Bewegung der Slogan auf: «Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin». Dieser Satz der viel Mut zu einer moralischen und ethischen Umkehr unseres Verhaltens erzeugen sollte wird zurzeit gerade ins Negative verdreht. Ein Land wird gedemütigt und von seinem scheinbar «grossen Bruder» militärisch aggressiv vereinnahmt. Ausser Sanktionen hat der Westen nichts weiteres zu bieten. Wieder einmal mehr muss die Menschheit hilflos zuschauen und sich eingestehen, dass sie solchen militärischen Operationen immer wieder ausgeliefert ist. Eben, ‘niemand geht hin’ und sagt: stoppt jetzt bitte endlich all diese verlogenen Gräueltaten auf unserer Erde!
Können wir wieder einmal ‘nur’ auf die Gnade des Göttlichen hoffen, dass all dies irgendwann einmal ein Ende findet?
Nein, Gnade ist unendlich viel mehr als sich all unsere Vorstellungen davon erträumen mögen. Gnade ist deshalb so wesentlich, weil wir uns einerseits nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Identifizierungen und Konditionierungen ziehen können und anderseits es sinnlos ist den Kopf in den Sand zu stecken und zu behaupten, dass der Kreislauf des menschlichen Lebens und die ganze Welt ja doch nur eine Illusion sei. Auf der einen Seite lassen wir nicht davon ab an uns herumzunörgeln, uns unablässig unserer endlosen Gier entsprechend zu optimieren und immer höhere Ziele erreichen zu wollen und auf der anderen Seite behaupten wir dann ganz naiv ‘niemand’ zu sein und dass diese Erkenntnis alleine schon genüge um erwacht, erleuchtet und umfassend befreit zu sein. Wir wandern auf diese Weise nur zwischen dem Ehrgeiz und der Ignoranz unseres materiellen, sowie spirituellen Egos hin und her.
Buddha brachte uns das Hamsterrad von Geburt, Krankheit, Alter und Tod ins Bewusstsein. Doch innerhalb dieses Hamsterrades dreht sich noch ein zweites Endlos-Rad. Nämlich das Rad der unersättlichen Gier unseres Ich-fixierten Hungergeistes nach mehr, mehr, mehr – egal von was.
Wie sollten wir auf diese Weise tatsächlich den Kreislauf unseres Leidens beenden können? Zuerst gilt es anzuerkennen, dass die Ich’s es nicht ‘tun’ können. Das Ich will immer nur Konflikt, niemals kann es Frieden wollen, denn es ist auf sich fixiert und betrachtet alle, sowie alles andere als Konkurrenz zu sich selbst. Die Lösung liegt in der Hingabe, im Eintauchen in den stillen, leeren Geist und in das Herz unseres Wesens – das göttliche Mysterium.

Meister: «Buddha ist Leiden, Leiden ist Buddha».
Schüler: «Oh, lehrte nicht Buddha das Leiden zu überwinden? Wie kann da Buddha das Leiden sein?»
Meister: «Buddha trägt das Leiden in sich».
Schüler: «Wie könnten wir dann das Leiden überwinden?»
Meister: «Was sollte das Überwinden des Leidens bringen?»
Schüler: «Die Befreiung aus dem Rad von Geburt, Alter, Krankheit und Tod.»
Meister: «Das Leiden ist der Weg, nicht die Flucht davon.»

In Liebe Saajid

Februar 2022 - Wie wirklich ist Zeit?

Februar

Wie wirklich ist Zeit?

„Die Spuren von Flut und Ebbe der Zeit sind so offensichtlich, dass wir sie nicht anzweifeln. Doch obgleich wir sie nicht anzweifeln, sollten wir daraus nicht schließen, dass wir sie begreifen. Der Mensch schafft sich eine Ordnung und legt diese Ordnung als die Welt aus. Es gilt zu erkennen, dass ein jegliches Ding, ein jegliches Lebewesen im ganzen Weltall Zeit ist. Man muss anerkennen, dass es in dieser Welt Millionen von Dingen gibt und dass ein jegliches gleichermaßen die gesamte Welt ist. Zu einer Zeit watete ich durch den Fluss, und zu einer Zeit ging ich über das Gebirge. Ihr mögt denken, dass jener Fluss und jenes Gebirge Dinge der Vergangenheit sind, dass ich sie hinter mir gelassen habe. Die Wahrheit hat jedoch noch eine andere Seite. Als ich auf den Berg stieg und den Fluss überquerte, war ich (Zeit). Zeit muss notwendigerweise mit mir sein; Zeit kann mich nicht verlassen.
Da ihr meint, dass Zeit lediglich vergeht, lernt ihr nicht die Wahrheit über Sein-Zeit. „Sein-Zeit“ heißt, dass Zeit Sein ist. Jegliches da-seiende Ding ist Zeit. Mit einem Wort: jegliches Sein in der gesamten Welt ist eine gesonderte Zeit in einem Kontinuum. Und da Sein-Zeit ist bin ich meine Sein-Zeit.

Zenmeister Dogen 1200 – 1253 (kurzer Auszug aus seinem Shôbôgenzô)

Zeit sowie Da-Sein ist also nach Dogen ein Übergang. Das Beispiel von Ebbe und Flut versinnbildlicht dieses kontinuierliche ineinander übergehen sehr treffend. Auch Rilke bezeichnet den Menschen als Übergang und benutzt damit Sein und Zeit synonym. Jeder Mensch trägt seine Sein-Zeit, als das was er selbst ist, mit sich. Da Zeit und Raum ebenfalls einander bedingen, also nicht unabhängig voneinander existieren, so können wir auch sagen, dass jeder Mensch seine Welt, als das was er selbst ist, mit sich trägt. Oder mit den Worten von Nisargadatta Maharaj: „Überall wo ich hingehe bin ich schon anwesend.“ Oder mit den Worten von Buddha: „Die ganze Welt erscheint im Geist“.

Wenn ich Zeit als etwas ausserhalb und unabhängig von mir Existierendes erlebe, so erschaffe ich eine eingebildete Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und glaube in dieser scheinbaren Zeit zu leben. Mit dieser Vorstellung zementiere ich so meine Illusion der Getrenntheit. Sein-Zeit hat nichts mit dieser mechanischen und von uns abgespaltenen Vorstellung von Zeit zu tun. Die Sein-Zeit des Menschen ist das unmittelbar erlebte Leben während seines Lebens als genau dieses Leben selbst. Oder einfacher ausgedrückt:

«Der Mensch erlebt nicht sein Leben, er ist das Leben.»

Daher ist Mensch-Sein ein Übergang. Erwachte Wesen erleben ihre Sein-Zeit wie im freier Fall ohne Landung. Einfach immer ‘neu’, ‘hier’, ‘so’, als steter Übergang, während ihrer ganzen Lebens-Zeit.

In Liebe Saajid

Janauar 2022 - Aus dem Herzen

Janauar

Aus dem Herzen

Die beiden Mönche Xue Feng und Yan Tou waren gemeinsam auf dem Weg zum Berg der Riesenschildkröte im Herzen Chinas. Plötzlich zogen heftige Schneeschauer auf und schnitten ihnen den Weg ab. Unerwartet mussten sie in der abgelegenen Klause verweilen, wo sie gerade angekommen waren. Yan Tou verbrachte den ganzen Tag schlafend und vor sich hindämmernd. Xue Feng hingegen sass den ganzen Tag in anstrengender Versenkung. Am Abend brachte Xue Feng seinen Unmut über die Trägheit seines Weggefährten zum Ausdruck. Doch Yan Tou wies diese Kritik als ungebührlich zurück und meinte: «Du machst doch selbst nichts anderes als bloss zu meditieren.»
Xue Feng blickte zu Boden und wies mit der Hand auf seinen Brustkorb: «Hier herrscht noch Unruhe. Soll ich etwa mich selbst und andere betrügen?» Yan Tou gab sich erstaunt und musterte seinen Gegenüber von Kopf bis Fuss. Nach einiger Zeit fuhr Xue Feng fort zu erklären: «Es ist wirklich so. Seit ich mit der Übung des Chan (Zen) begann herrscht Unruhe und Durcheinander in meinem Geist.» Yan Tou war berührt von diesen Worten und sagte mit einfühlsamer Stimme: «Wenn du es sagst, wird es so sein. Doch erzähl einmal was dich so alles bedrückt. Das Wahre und Aufrichtige will ich gerne bestätigen, das Falsche hingegen auf mich nehmen und zerstören.»
Xue Feng begann eine lange Geschichte zu erzählen: über all seine Versuche und vergeblichen Mühen. Er berichtete von seinen schwierigen Begegnungen mit den Meistern Jian Guan und Dong Shan, und den Prügeln, die er zudem noch von Meister De Shan einstecken musste. Am ende gestand er sein völliges Scheitern ein. Als seine Worte weitschweifiger wurden und immer mehr Selbstmitleid aus ihm sprach, unterbrach Yan Tou ihn jäh und mit lauter Stimme: «Ein Fremder bleibt ein Fremder, auch wenn er durchs Tor tritt. – Hast du diese Weisheit niemals vernommen?»
«Was soll ich mit diesen Worten anfangen?», wollte Xue Feng wissen und senkte seinen Blick.
Yan Tou sagte nur ein Wort: «Aufrichtigkeit!» Nach einer kurzen Pause erklärte er: «Nur aus dir selbst kommt es, nicht von aussen. Nimm alles an, was aus deinem Herzen quilt, egal ob es dir behagt oder nicht. Es ist kein Unterschied, ob du dabei sitzt oder schläfst. Nimm alles wahr, aber hafte an nichts, wo immer du bist und was immer du tust.»

Hier noch ein paar Hinweise und Kommentare zur Anekdote.
«Ein Fremder» steht für unsere Konditionierungen und unsere Fähigkeit zu Einbildungen und Projektionen, Hoffnungen und Sehn-Süchte. Wenn wir durch das «Tor» schreiten wissen wir wer wir wirklich sind, unsere Einbildungs-Fähigkeiten bleiben jedoch bestehen. «Aufrichtigkeit» bedeutet die Dinge so zu sehen wie sie wirklich sind und diese Haltung der Klarheit aufrecht zu erhalten.

Ein Geist ohne Gedanken ist ein egofreier Geist.
Geistesleere darf jedoch nicht erzwungen werden.
Sie sollte ein Nebenprodukt der entspannten «Intimität bei gleichzeitiger Losgelöstheit» gegenüber allen Geschehnissen und Erscheinungen sein.
Dies wird im Zen Durchdringung genannt.

In Liebe Saajid

Dezember 2021 - Nonduali-Täter

Dezember

Nonduali-Täter

Frage: Leute aus dem Westen sprechen davon, dass sie ein Aufblitzen des kosmischen Bewusstseins erlebt haben. Was ist das für eine Erfahrung?

Ramana Maharshi: Sie kam wie ein Blitz und verschwand ebenso wieder. Das was einen Anfang hat muss auch enden. Nur die Verwirklichung des ewig gegenwärtigen Reinen Bewusstseins ist von Dauer. Es ist tatsächlich immer bei uns. Jeder weiss: Ich bin! Niemand kann sein eigenes Dasein verleugnen. Die Ursache allen Unheils ist die irrige Vorstellung „Ich bin dieser Körper“; sie muss fallen gelassen werden. Verwirklichung besteht weder im Erwerb einer neuen Fähigkeit noch ist sie eine solche. Sie ist nur die Beseitigung aller Irrtümer.
Die höchste Wahrheit ist so einfach. Sie ist nichts anderes als im Ur-Zustand sein. Das ist alles was darüber gesagt zu werden braucht. Aber man muss sich wundern, dass zur Übermittlung dieser schlichten Wahrheit so viele Religionen, Glaubensbekenntnisse, Methoden und widersprüchliche Auffassungen unter den Menschen entstehen konnten. Wie schade! Wie schade! Und weil sie etwas bis ins Einzelne Ausgearbeitetes, etwas Interessantes, etwas Rätselhaftes wollen, sind die vielen Religionen entstanden, von denen jede so kompliziert ist und jede Glaubensvorstellung in jeder Religion wieder ihre eigenen Anhänger und Gegner hat.
So ist ein Durchschnittschrist nicht eher zufrieden als bis er hört, dass Gott irgendwo in fernen Himmeln thront und von uns nicht ohne Hilfe erreicht werden kann. Sagt man ihm die schlichte Wahrheit „Das Reich Gottes ist in euch“, dann genügt ihm das nicht. Er möchte komplizierte und weitreichende Bedeutungen in eine solche schlichte Feststellung hineinlesen. Nur ein reifer Geist ist fähig die schlichte Wahrheit in ihrer ganzen Nacktheit zu begreifen.

Aus Ramana Maharshi «Gespräche 1935 bis 1939»

Ist es nicht erstaunlich wie aktuell diese Gespräche mit Ramana Maharshi sind? Heute würde Ramana jedoch zu seinem Satz „Die Ursache allen Unheils ist die irrige Vorstellung Ich bin dieser Körper“ noch «die irrige Vorstellung Ich bin Niemand, oder es gibt mich nicht wirklich» hinzufügen, da sich auch Missverständnisse weiterzuentwickeln scheinen. Es gibt ein Gesetz auf der dualistischen Erlebnisebene, welches besagt, dass Gegensätze aus Paaren bestehen, welche voneinander abhängen z.B. gut-böse, oben-unten, richtig-falsch…. und äh, dual-nondual?
Würden wir einen Teil eines Gegensatzpaares wegnehmen können, so wären wir ja…uuuups in der Nondualität? Falsch! Einfach im Chaos! Keine Spur von Erwachen. Die Nonduali-Täter träumen oft einfach ihre Träume anders weiter.
Das ewig gegenwärtige Reine Bewusstsein schert sich nicht um Namen und Theorien.

Die Nondualität ist ein Teil des Gegensatzpaares «Dualität-Nondualität» und bezieht sich auf die Dualität. Die Wirklichkeit bezieht sich jedoch auf nichts. Die Einheit hinter allen Gegensatzpaaren «ist» nondual. Doch so etwas wie eine Nondualität ist in der Wirklichkeit nicht zu finden. Die Nondualität gehört ebenso zum Traum der Erscheinungen wie die Dualität.

Wie wäre es einfach nur «bedingungslos» staunend und vollumfassend hier zu sein?

In Liebe Saajid

November 2021 - Bewusstes Sein

November

Bewusstes Sein

Manchmal werden wir im Leben Opfer und manchmal Täter sein. Es ist nicht zu vermeiden. Wenn du Opfer wählst wirst du Leiden erfahren. Wenn du Täter wählst wirst du Leiden erfahren. Wenn du weder noch wählst wirst du auch Leiden erfahren, weil dir dies nicht gelingen kann. Vergiss nicht, dein Lenkrad ist nicht wirklich angeschlossen, auch wenn das Leben dich scheinbar zu Entscheidungen zwingt. Wähle nicht, sondern entscheide dich für «Dein Wille geschehe». Beobachte einfach was hier gerade geschieht und was gerade geschehen will. Folge dem Bewegungs-Strom. Sei nicht der Handelnde, dann bist du frei vom Opfer-, Täter- und Weder-noch-sein. Wenn du damit in die Handlungsunfähigkeit rutschst, so hat dir dein Ego schon wieder einen Streich gespielt.

Es geht nicht darum das Leben auf die «richtige» Art und Weise zu leben um das «Falsche» zu vermeiden, was auch immer du darunter verstehst, sondern Bewusstsein ins Spiel zu bringen, wo immer du dich auch gerade auf deinem Weg befindest und wie immer sich gerade deine Umstände und Befindlichkeiten gestalten.
Bewusstes Sein transformiert alle Ausdrucksebenen unseres menschlichen Lebens!

Dass dieser Prozess notwendig ist sehen wir auch in den klassischen Texten des Zen-Buddhismus über die drei Hüllen eines Buddhas. Wobei diese drei in wechselseitiger Beziehung zueinanderstehen:

Der erste wird als hôsshin (dharma-kâya) „Gesetzes-Körper“ bezeichnet. Es ist das Erlebnis des kosmischene Bwusstseins, des Eins-Seins, das jenseits aller Begriffe liegt.
Der zweite Körper wird als hôjin (sambhoga-kâya) „Körper des Entzückens“ bezeichnet. Es ist das Erlebnis der Ekstase der Erleuchtung. Mitgefühl/Liebe.
Der dritte Aspekt wird als ôjin (nirmâna-kâya) „Körper der Verwandlung“ bezeichnet. Er ist der strahlende transformierte Buddha-Leib.

Wir sehen hier also die Notwendigkeit des geistigen Erwachens (erste Hülle), des emotionalen Erwachens der Glückseligkeit/Liebe/Mitgefühl (zweite Hülle) und des körperlichen Erwachens, die Transformation auf den feinstofflichen, sowie grobstofflichen Ebenen des menschlichen Ausdruckes (dritte Hülle), beschrieben.
Diese drei Aspekte bilden die Grundlage eines mehrfachen und immer umfassenderen Erwachens, welches in eine tiefe Umwandlung und Entfaltung mündet. Ebenso, wie ein blühender Baum aus einem Samenkorn steigt.

Dazu benötigen wir die Einsicht, dass dieser und jeder Augenblick, egal wie er ist, dem was wir in unserem Wesensgrund sind nichts weiteres und auch nichts wertvolleres hinzufügen, oder wegnehmen kann.
Verblendung führt uns tiefer in die Überzeugung der eingebildeten Trennung, bewusstes Sein weht die Nebel der Verblendung aus unserer Sicht zur Wirklichkeit.

Die Vollkommenheit der Einheit von Sein und Nicht-Sein wird im Zen «So-heit», «So-Sein», sowie «Ist-heit», oder «Wie-es-ist-heit» genannt. Wenn wir die Dinge sehen, wie sie wirklich sind, dann sehen wir ihr inneres «So-sein», das heisst ihre wahre Natur, sowie ihre äussere (scheinbare) Form.

Es ist uns nur möglich die heilige Vollkommenheit von allem Seienden zu erkennen, wenn wir unsere oberflächliche Betrachtungsweise der Dinge verlassen.

In Liebe Saajid